Jeder braucht jemanden.
Irgendwann.

Die Hospizbewegung in Meitingen. Wie alles begann.

Heidi Mittring ist Hospizbegleiterin der ersten Stunde. Im Juli 1996 nahm sie ihre Abschlussurkunde in Empfang. Im Vorfeld hat sie eine neunmonatige Ausbildung zur Hospizbegleiterin absolviert. Mit ihr nahmen acht weitere Teilnehmer das Abschlusszertifikat in Empfang. Organisation, Weiterbildung und Dokumentation der Aktivitäten der Hospizbegleiter liefen ab 2003 über den Tisch von Heidi Mittring. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie im Jahr 2012 ihren Dienst als Gruppenleiterin niederlegen. Als Hospizbegleiterin arbeitet sie noch heute. Mittlerweile hat sie über 50 Menschen begleitet.

Frau Mittring, können Sie sich noch erinnern, wie alles begann?

Heidi Mittring: Durchaus. Es gab eine Infoveranstaltung im Jahr 1995. Dazu fanden sich zahlreiche Interessierte ein. Insgesamt entschieden sich dann neun Personen dazu, die Ausbildung zum Hospizbegleiter zu absolvieren.

Was hat Sie so an dem Thema interessiert?

Heidi Mittring: Der Tod ist und war ein Tabuthema, was er eigentlich nicht sein dürfte. Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Aus meiner ureigenen, christlichen Überzeugung heraus habe ich mich damals dafür entschieden, die Ausbildung zur Hospizbegleiterin zu machen. Dass ich jemals aktiv werden würde, habe ich mir damals selbst nicht zugetraut.

Ist der christliche Glaube ein fester Bestandteil der Hospizbegleitung?

Heidi Mittring: Nein. Es ist mein Weg. Es ist meine Motivation. Allerdings muss ich mit niemanden über Religion und Glauben sprechen. Das kommt immer auf die Person an und kann sich sogar während der Begleitung ändern. Ich kann mich noch erinnern, mit einer Frau, die das Thema Religion und Glaube für sich rigoros ausgeschlossen hat, eine gute Stunde darüber gesprochen zu haben – auf ihren eigenen Wunsch hin. Beim nächsten Besuch überbrachte ich ihr eine Lilie, die sich als ihre Lieblingsblume herausstellte, und einen kurzen Meditationstext über eine Knospe. Dieser habe die Frau derart bewegt, dass sie verstorben sei „wie eine Heilige“, erklärten mir die Angehörigen im Anschluss.

Können Sie sich noch an Ihre erste Begleitung erinnern?

Heidi Mittring: Der erste Mensch, den ich als Hospizbegleiterin begleiten durfte, war ein schroffer und verschlossener Mann, der noch zuhause lebte und es liebte, Mühle zu spielen. Das war auch mein Metier. Das einte uns. Damit beschäftigten wird uns. Etwas anderes jedoch unterschied uns, denn über Kirche, Religion und Glauben wollte der Mann nicht reden.

Entsprach diese erste Begleitung Ihrer Vorstellung von „Hospizarbeit“?

Heidi Mittring: Ehrlich gesagt nicht. Ich war unsicher und habe mich wirklich gefragt, ob so Hospizarbeit aussieht. Bevor ich zu dem Mann gefahren bin, habe ich zuhause immer eine Kerze angezündet und unseren Herrgott gebeten, bei mir zu sein.

Hat es Ihnen geholfen?

Heidi Mittring: Ja. Es war mein Weg. Allerdings stand die nächste Herausforderung bereits bevor, denn dann sagte mir der Mann, er wolle sterben und bat mich darum zu beten. Darf ich so beten, habe ich mich gefragt. Doch dann habe ich eben diesen Wunsch in ein Gebet verpackt, in dem ich Gott bat, dass der Mann „gut sterben“ könne, wenn seine Zeit da ist.

Haben Sie dem Mann jemals von dem Gebet berichtet?

Heidi Mittring: Ja. Ich habe es in großen Buchstaben auf dem Computer geschrieben, es ihm mitgebracht und er bat mich darum, ihm das Gebet vorzulesen. Ich hatte wirklich Bedenken, ob ich das kann. Ich hatte schon befürchtet, dass mir vor Weinen die Stimme versagt, aber dem war nicht so. Aber dass mir das mit fester Stimme gelang, war für mich fast wie ein Wunder. 

Und wie hat der Mann reagiert?

Heidi Mittring: Er brach in Tränen aus und erklärte mir, wie sehr er sich dafür schämte. Doch das musste er nicht. Fortan konnten wir gut miteinander reden. Ich besuchte ihn noch oft – im Krankenhaus, im Pflegeheim. Es hat mich sehr gefreut, dass er (sein) Gebet immer in seiner Nähe hatte. Dann ist er verstorben so wie er es sich gewünscht hatte und ich wusste es war nichts umsonst gewesen.

Was hilft Ihnen bei Ihren Begleitungen?

Heidi Mittring: Natürlich muss man lernen, Hospizarbeit und Privates gut zu trennen. Zudem weiß ich heute, dass es nicht möglich ist, sich auf den Besuch „vorzubereiten“. Denn ich weiß nie, in welcher Situation ich die Menschen an diesem Tag antreffe. Aber ich tue das in großem Gottvertrauen. Und so gehe ich auch in jede neue Begleitung.

Wann übernahmen Sie die Leitung der Hospizgruppe?

Heidi Mittring: Zunächst lag die Leitung der Gruppe bei der Sozialstation. Ab 2003 habe ich dann die Aufgaben der Gruppenleiterin übernommen. Bis 2012 konnte ich die Weiterbildungen und Einsätze der Hospizbegleiter koordinieren. Anschließend musste ich aus gesundheitlichen Gründen dieses Amt ablegen. Als Hospizbegleiterin bin ich nach wie vor im Einsatz.

Und Sie wurden sogar für Ihr Engagement geehrt, richtig?

Heidi Mittring: Das stimmt. Im Jahr 2015 habe ich das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Männer und Frauen erhalten.


Mehr über die Arbeit der Hospizgruppe können Sie in diversen Presseberichten nachlesen.

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